Theater machen

Beratung – Begleitung – Leitung

In Beratungs-, Begleit- und Leitungssituationen von theaterästhetischen Prozessen zeigte sich im vergangenen Jahr ein wachsendes Spannungsfeld: ein Spannungsfeld zwischen der Überzeugung, dass künstlerische Gemeinschaftsprojekte oder spielbasierte Erfahrungsräume (sowohl in theatralen Prozessen als auch in unterrichtsgestaltenden Spiel- und Handlungsformen) als äusserst wirkungsvoll angesehen werden, und einer auffallenden Zunahme von unterschiedlichsten Herausforderungen im Schulalltag. Eine davon (oder möglicherweise die subsumierte Ausdrucksform davon): die gesellschaftlich geprägte Tendenz zur Unverbindlichkeit und die damit verbundenen Zusammenhänge mit der auffallenden Häufung veränderten Verhaltens.

Anknüpfend an Angebote im Bereich «Verbindlichkeit», die 2022 lanciert wurden, hat das Team des ZTP unterschiedliche Hilfestellungen und Angebote weiterentwickelt. Dabei hat es relevante Handlungsfelder noch umfangreicher mit konkreten Frage- und Hilfestellungen ausgestaltet. Basierend auf der Broschüre «Verbindlichkeit verbindet» wurden konkrete Beispiele von Verbindlichkeit sowohl in Beratungs- als auch in Begleitsituationen thematisiert und erfahrbar gemacht. Dabei zeigte sich, dass sich Verbindlichkeit auf Verantwortung und die wahrgenommene Verantwortung sich wiederum auf Verhalten beziehen lassen. Mögliche Fragestellungen begleiteten uns fortwährend: «Wie zeigt sich Verbindlichkeit im Unterricht / in Projekten? Beeinflusst die Wertehaltung gegenüber den Mitspielenden das Zusammenspiel, die Unterrichtssituation? Was hat Verbindlichkeit mit Verantwortung / mit Verhalten zu tun? Welche Gestaltungsmittel, welche Vereinbarungen, welche Festlegungen und Abmachungen helfen, eine Verbindlichkeit zu erlangen, die dem Unterricht / einem Gemeinschaftswerk eine neue Ausstrahlung und Ausdruckskraft gibt? Inwiefern stehen Verbindlichkeit und Ausdruckskraft in Beziehung? Und inwiefern beeinflusst eine besprochene, verhandelte, erlebte Verbindlichkeit die Sicherheit, das Ich-Gefühl, das Wir-Gefühl, die Dazugehörigkeit? Und bereits nach dieser kurzen Fragerunde wird klar: Verbindlichkeit und überfachliche Kompetenzen bedingen sich gegenseitig. Und gekoppelt mit intrinsischer Motivation durch partizipative und kooperative Kreativitätsprozesse können neue Denk- und Verhaltensweisen begünstigt werden.

Schultheatertage

Den Anfang theatraler Experimente und szenischer Arbeiten nahm das Projekt im Oktober 2022. Am «Prolog» wurden im Rahmen der Einstiegsveranstaltung unterschiedliche Zugänge zu künstlerischen Forschungs- und Gestaltungsräumen eröffnet. Davon ausgehend bekamen 230 spielbegeisterte Schülerinnen und Schüler die Möglichkeit, theatrale Prozesse mit künstlerisch-ästhetischen Ausdrucksformen zu erleben. Die angemeldeten Schulklassen stammten aus den Kantonen Luzern (12 Projekte), Zug (1 Projekt) und Schwyz (1 Projekt). Entstanden sind 14 ganz unterschiedliche Theaterstücke, szenische Collagen, Musicals, kunstspartenübergreifende Performances und szenische Experimente, die im Juni 2023 sowohl im eigenen Schulhaus als auch an den Schultheatertagen einem öffentlichen Publikum präsentiert wurden. Fazit aus den Feedbacks der teilnehmenden Klassen: Zusammen Theaterspielen ist für alle Beteiligten ein bedeutendes Bildungsmittel. «Erfolgserlebnis für die Kids! Aber auch für mich und immer wieder ein Erlebnis! Aufregend, herausfordernd, spannend!» (Auszug aus Dokumentation 2023)

Pünktlich zu den Schultheatertagen wurden die Begleithefte «Die Ideenreichen» zu den Bänden 2–9 von «Die Sprachstarken» fertiggestellt. Dies nahmen wir zum Anlass, einen Workshop im Rahmenprogramm der LUSTT 23 anzubieten. Zweiundzwanzig interessierte Lehrpersonen aus allen Stufen nahmen am Jubiläums-Workshop teil. So konnten sie die Begleithefte kennenlernen und gleich einige Spielformen praktisch ausprobieren. Im Anschluss an diesen Workshop-Abend wurden drei Anfragen für einen «Die Ideenreichen»-Workshop beim ZTP eingereicht. Eine Anfrage wurde bereits definitiv gebucht.

Theaterprojekte begleiten

Neben den herkömmlichen Begleitungen von klasseninternen theatralen Prozessen hat die Anfrage zur Begleitung von Grossprojekten an Schulen in diesem Jahr auffallend zugenommen. Dabei fällt auf, dass sich Lehrpersonenteams/Stufenteams für theatrale Projekte immer mehr zusammenschliessen. Dies hat neben methodischen Neuerungen mehr und mehr auch Auswirkungen auf organisatorische und räumliche Fragen, die nicht selten zu überraschenden Herausforderungen führen. So bewegen sich die Begleitungen vor Ort zunehmend an der Schnittstelle theatraler Begleitung und organisatorischer Hilfestellungen.

In Beromünster und Eschenbach haben beispielsweise alle Schülerinnen und Schüler der gesamten 3. Oberstufe an einem Theaterprojekt mitgewirkt und -gespielt. In den Begleitungen ging es vor allem darum, wie trotz vieler Spielender die Ideen der einzelnen Schülerinnen und Schüler auf die Bühne gebracht und wie unterschiedlichste Szenen zu einem grossen Ganzen zusammengesetzt werden können. Ausgehend von der Begleitung in Beromünster entstand zum Start des Projekts eine Weiterbildung für die Lehrpersonen zum Thema «Theaterprojekte leiten». Auch ausserkantonal hat die Leitung von Theaterprojekten (kostenpflichtiges Angebot) zugenommen. So verwandelten beispielsweise in der Stadt Zürich 32 Schülerinnen und Schüler der 1. und 2. Sekundarstufe das Schulhaus der Neuen Schule Zürich in ein begehbares Hirn-Labyrinth, welches dem Publikum verschiedene Lebensstationen einer komatösen Patientin offenbarte und der grossen Fragen nach dem Sinn des Lebens auf den Grund ging. Das Projekt geht im Frühjahr 2024 in die zweite Runde.

Kooperationen mit Schule und Gesellschaft

Kooperation 1: PerlenderZeit 

«PerlenderZeit» ist ein generationenübergreifendes Projekt des Zentrums Theaterpädagogik und gehört zu den fünf Gewinnerprojekten des Förderprogramms «piiik» der Albert Koechlin Stiftung. Im Zentrum des «Zusammenspiels» steht der Zusammenhalt der Gesellschaft.

In diesem Jahr fanden die zweite und dritte Ausführung der Begegnungsprojekte statt: Von März bis Mai 2023 entwickelte eine 4. Primarklasse gemeinsam mit sechs Seniorinnen und Senioren in Sempach die «Stadt der Erinnerungen» zu einem actiongeladenen und gleichzeitig berührenden Theaterstück. Von September bis November 2023 tauchten eine 5. Primarklasse aus der Stadt Luzern zusammen mit fünf Seniorinnen tief in den «Bergsee der Erinnerungen» ein und brachten ein philosophisches und witziges Stück auf die Bühne. Die Theateraufführungen von «PerlenderZeit» 2023 waren ein grosser Erfolg! Indikatoren dafür? Glückliche Spielerinnen und Spieler, die mit neuen generationenübergreifenden Freundschaften aus dem Projekt treten, und ein begeistertes Publikum, das berührt und eigenen Erinnerungen begegnend mit innigem Applaus und vielen positiven Rückmeldungen die Stücke würdigte. Beide Projekte bestätigten erneut das gelungene Konzept, welches einen für alle Beteiligten bereichernden Prozess ermöglicht. Insgesamt 37 Schülerinnen und Schüler, drei Lehrerinnen, acht Seniorinnen und Senioren (drei davon wirkten als «Wiederholungstäterinnen» in beiden Projekten mit) spielten, improvisierten, philosophierten, recherchierten, gestalteten und verwandelten in einer jeweils dreimonatigen Projektphase gemeinsam im Themenfeld der Erinnerungen. Aus den dabei entwickelten Fundstücken entstand je ein Theaterstück. Die gewohnte Welt – sie wurde unterbrochen! Fazit? Zeit und ehrliche Beispielsituationen und Möglichkeiten des «Sich-Verbindens» schaffen über die Verbindlichkeit hinaus «Ver-Bindungen», die als Freundschaften neue Erfahrungen (und gemeinsame Erinnerungen) ermöglichen.

Kooperation 2: «schukulu spezial» 

Die Projektangebote in Kooperation mit schukulu waren in diesem Jahr erneut sehr gefragt. Sowohl die Musik- und Theater-Wochen als auch die Klima-Verwandlungs-Wochen waren ausgebucht.

Besonders überraschte in diesem Jahr das grosse Interesse am Angebot «Musik und Theater: Die Zukunft der Erde?». Die schukulu-spezial-Woche, welche jeweils in Zusammenarbeit mit dem Luzerner Sinfonieorchesters stattfindet, konnte in diesem Jahr gleich dreimal durchgeführt werden. Während einer Woche erlebten die Schülerinnen und Schüler zusammen mit einer Musik- und Theaterpädagogin interdisziplinäre Gestaltungsprozesse und setzten sich mit Fragen rund um Nachhaltigkeit, Umwelt, Klima und unserer Zukunft auseinander.

Das Angebot «Theater und Performance im Schulalltag» wurde ausgehend von Themen rund um den Klimawandel von drei Klassenlehrpersonen und ihren Schulklassen gebucht. Zentraler Ausgangspunkt der theaterästhetischen Prozesse waren individuelle Zugänge zur Thematik Klimawandel und Nachhaltigkeit. Mittels der Methode des biografischen Theaters ermöglichte dieses Projekt eine echte Verbindung zu den einzelnen Mitspielenden und bietet dadurch eine sehr persönliche Auseinandersetzung mit dem Thema «Klima-Verwandlung».

Zwei Klassen führten im Anschluss an einen vom ZTP organisierten Theaterbesuch (vgl. Theaterperlen / Theaterlenz / Theater im Schulhaus) eine Projektwoche (Resonanzwoche) durch, in welcher die Inhalte der jeweiligen Theaterstücke unter der Leitung einer Theaterpädagogin nachhaltig erfahrbar gemacht und zu einem Gemeinschaftswerk zusammengeführt wurden. Zudem nutzten drei Klassen das vierstündige oder zweistündige Resonanz-Angebot und setzten sich theaterpädagogisch mit dem besuchten Stück auseinander.

Fazit: Die intensive Auseinandersetzung mit einer Thematik (Klimawandel, Zukunft der Erde oder einem gesehenen Stückinhalt) innerhalb einer Projektwoche fordert die Spielenden zum Weiterdenken, Weiterentwickeln und Selbstgestalten auf. Dies verbindet und weckt einen gemeinsamen Handlungs- und Spielraum in einer oder mehreren Klassen.

Kooperation 3: Projektleitungen für Schulen 

Theater im Unterricht

Das im Schuljahr 2021/22 lancierte Kooperationsprojekt mit der Schule Sempach ist mittlerweile fixer Bestandteil der Schulplanung. Es basiert auf dem Ziel, den Schulkindern kreative Prozesse zu ermöglichen und den Lehrpersonen prozessorientierte und partizipative Möglichkeiten und Methoden für den eigenen Unterricht zu eröffnen. Das Trainieren überfachlicher Kompetenzen spielt dabei eine zentrale Rolle. Neben sequenzierten Theatereinheiten vertiefen sich die Viertklässlerinnen und Viertklässler jährlich auch in ein eigenes Gemeinschaftswerk. Vom Projekt profitieren jährlich sechs Schulklassen der 3. und 4. Primarstufe.

Projektunterricht an der Schule Neuenkirch

Im Rahmen des Projektunterrichts setzten sich im Januar 2023 18 Jugendliche mit Schauspiel, Bühnenbild, Kostümgestaltung und Bühnentechnik auseinander. Zusammen entwickelten sie ein Theaterstück. Im Zentrum stand die Auseinandersetzung mit dem Themenfeld «Eine Billion Dollar». Das Gemeinschaftswerk wurde im Juni 2023 in Neuenkirch präsentiert. Es entlockte dem Publikum einen grossen Applaus und regte im Nachklang die zuschauenden Klassen zu vielen Gesprächen über Geld und Reichtum an.

Kooperation 4: Ausbildungsmodule PH Luzern 

Im Rahmen der Ausbildungsmodule der PH Luzern ist das Zentrum Theaterpädagogik in unterschiedlichen Kooperationen tätig. Seit nunmehr 20 Jahren wird das Spezialisierungsstudium Theaterpädagogik vom ZTP geleitet. In allen Modulen werden die rund 70 Studierenden an die alltagspraktischen Erfahrungen theatraler Projekte aus der Volksschule herangeführt, sammeln konkrete Erfahrungen und können durch die Expertise des ZTP ihre Kompetenzen in idealer Weise mit Fachwissen verdichten. Die Synergien zum Zentrum Theaterpädagogik können hierfür optimal genutzt werden.

Auch im Bereich der Heilpädagogik kann das ZTP in Modulangeboten im Wahlmodul Masterstudiengang Schulische Heilpädagogik sowie im Wahlmodul fachdidaktische Impulse die unterschiedlichen Zugänge und Möglichkeiten von Theaterpädagogik vermitteln. Im Zentrum dieser Angebote stehen gemeinsame Forschungs- und Spielräume. Das konkrete Erproben des Vermittlungsformats «Ästhetische Expedition», gespickt mit theaterpädagogischen Spielen zu Wahrnehmung, Fantasie und Improvisation, ermöglichte das Erfahren von künstlerischen Zugängen, die in der Berufspraxis angewandt werden können.

Die Theaterclub-Werkstatt ist ein weiteres Projekt, das vom ZTP koordiniert und organisiert wird. Mit «Leo… & Len. Fragmentarisches» erarbeiteten im Frühling 2023 20 Studierende des Spezialisierungsstudiums Theaterpädagogik zusammen mit dem Regisseur und einem Musiker textliche Fragmenten aus «Leonce und Lena» und verbanden diese mit chorisch-choreografischen Gestaltungsformen aus den Vormodulen.
Ausgehend von der Studienplanreform 21 der PH Luzern wurde der Umfang der Spezialisierungsstudien gekürzt. Davon ausgehend hat sich auch das herkömmliche Format des Theaterclubs im Rahmen des Spezialisierungsstudiums Theaterpädagogik verändert. Exakt zum 20. Jubiläumsjahr gingen die Aufführungen in schlichterer neuer Form als Werkstattaufführung über die Bühnen. Die Umsetzung der Studierenden überraschte wiederum durch grosse Ausdruckskraft, Musik und erfrischenden Gesang.


Kontakt

Leiterin Zentrum Theaterpädagogik
Ursula Ulrich
MA ZFH
Sentimatt 1
6003 Luzern
ursula.ulrich@phlu.ch
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