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Die aus dem vom SBFI unterstützten Forschungsprojekt «Innovationstransfer im Berufsbildungssystem Schweiz» gewonnenen Erkenntnisse werden fortlaufend in lernortspezifischen Handreichungen eingearbeitet und hier zur Einsicht publiziert. Sie dienen Berufsbildungsverantwortlichen dazu, ihre Innovationstransferstrategien zu schärfen und verborgenes Innovationstransferpotential zu erkennen. Allgemeine Erkenntnisse für einen gelingenden Innovationstransfer zwischen den Lernorten des Berufsbildungssystem sind in den folgenden Ausführungen näher erläutert. Konkrete Strategien und Handlungsfelder für die Erkennung, Evaluation und Umsetzung von Innovationen können weiter unten lernortspezifisch erfahren werden.
Die Berufsbildungsverantwortlichen aller Lernorte der beruflichen Grundbildung werden in einer durch die Globalisierung und den technologischen Wandel geprägten Arbeitswelt unmittelbar mit dem stetigen innovationsgetriebenen Weiterentwicklungsdruck konfrontiert. Auf Systemebene ist zwar ein Prozess verankert, der auf Grundlage der aktuellen und künftigen Anforderungen der Berufspraxis alle fünf Jahre Überprüfungen der Bildungsverordnungen sowie des Bildungsplans und damit der geltenden Lehr-/Lerninhalte vorsieht. Aus den Daten der qualitativen Untersuchung kommt allerdings deutlich hervor, dass den Berufsbildungsverantwortlichen viel Eigenverantwortung zugesprochen wird, wenn es darum geht, Innovationen laufend zu erkennen und für die Ausbildung der Lernenden zu nutzen.
Der Transfer von Innovation im Berufsbildungssystem Schweiz hängt insbesondere davon ab, wie sich die Beziehungen und die Vernetzung zwischen den Berufsbildungsverantwortlichen innerhalb und zwischen den Lernorten ausgestaltet. Es zeigt sich, dass die Vernetzung zu anderen Lernorten und innerhalb des Berufsbildungssystems von mehrfachem Nutzen ist. Ob die Vernetzung über Wege entsteht, die eher als formal einzustufen sind, wie die Teilnahme an Konferenzen, Sitzungen oder Weiterbildungen oder sich über informelle Wege entwickelt, wie über das Innehaben unterschiedlicher Funktionen innerhalb des Berufsbildungssystems oder das Austauschen über digitale Plattformen, scheint nicht unbedingt ausschlaggebend zu sein. Viel wichtiger scheinen auf persönlicher Ebene die Eigenverantwortung, die Eigeninitiative, das persönliche Interesse am Berufsfeld aber auch persönliche Dispositionen und Überzeugungen, wie z.B. die Offenheit gegenüber Neuem, die erlebte Wertschätzung sowie die erlebte soziale Akzeptanz gegenüber der Innovation bzw. dem Innovationstransfer zu sein. Daneben spielen auf der kontextuellen Ebene die institutionellen Rahmenbedingungen und zur Verfügung stehenden Ressourcen sowie rechtliche Vorgaben eine zentrale Rolle im Umgang mit Innovationen und dessen lernortübergreifendem Transfer.
Diese Erkenntnisse spiegeln sich mit den Grundsätzen unterschiedlicher Innovationstransfertheorien wider (vgl. Rogers, 1995, 2003; Wiechmann, 2002; Hauschildt, 2005, Braun-Thürmann, 2005; Bormann, 2011; Roblin et. al., 2018, Tilmann, 2019). Ergänzt mit den zentralen Projekterkenntnissen und den Spezifika des Berufsbildungssystems Schweiz wurden drei zentrale Handlungsfelder für den Innovationstransfer zwischen den Lernorten entwickelt. Sie sollten im Gleichgewicht zueinander stehen, da der Transfer von Innovation durch die Nutzung eines Handlungsfeldes allein nicht erfolgsversprechend ist.
Im Sinne von Rogers (1995) geht es im Handlungsfeld 1 darum, überhaupt von Innovationen zu erfahren. Daher lassen sich mit «Wissen erweitern» alle formalen und informellen Strategien zusammenfassen, welche mit der Informationsbeschaffung zu tun haben. Dazu gehören auf formaler Seite Kommissionssitzungen, Erfahrungstagungen, Aus- und Weiterbildungen sowie der Beizug von Fachmedien. Die informelle Informationsbeschaffung zeigt sich beispielsweise über lernortübergreifende Gespräche in Form von niederschwelligen Treffen, Telefonaten, e-Mails oder Erfahrungsaustausch mit den Lernenden. Weiter können Newsletter z.B. von grösseren Betrieben und Lieferanten aus der Industrie oder von Berufsfachschulen, Organisationen der Arbeitswelt, Hochschulen und höheren Fachschulen helfen, sich über Innovationen zu informieren. Auch Austauschplattformen wie z.B. skillsnet.swiss oder in zunehmendem Masse auch M365 Produkte wie Teams haben Potential, sich lernortübergreifend auf den neusten Informationsstand zu bringen.
Die Berufsbildungsverantwortlichen formen ihre Einschätzung darüber, ob eine Neuerung als Innovation in die Ausbildung der Lernenden aufgenommen wird oder nicht, auf Grundlage ihrer eigenen Expertise und ihren Erfahrungen. Dafür spielen Faktoren wie persönliche (pädagogische und/oder fachliche) Überzeugungen, Interesse am Berufsfeld, Offenheit für Neues oder die beruflich wahrgenommene Selbstwirksamkeit eine wesentliche Rolle. Im Handlungsfeld 2 «Evaluation vereinfachen» geht es deshalb darum, Berufsbildungsverantwortliche bei der eigenverantwortlichen Einschätzung über Innovationen zu unterstützen. Wann immer möglich ist es empfehlenswert, Innovationen selbst ausprobieren und erleben zu können um so die individuelle Selbstwirksamkeit im Umgang mit der Innovation zu steigern. Bei komplexeren Innovationen kann es sich ausserdem lohnen, mittels spezifischer Ausbildungsmethoden zu arbeiten.
Gemäss Baron und Meyer (1987) unterstützen projektorientierte Methoden beispielsweise das ganzheitliche, erfahrungs- und handlungsorientierte Lernen von Berufsbildungsverantwortlichen und Lernenden gleichermassen. Gerade lernortübergreifende Projekte im Bereich einer Innovation eignen sich gut, um eine professionelle Zusammenarbeit zwischen den Berufsbildungsverantwortlichen zu stärken und zu etablieren. Dabei können die Berufsbildungsverantwortlichen ihre lernortspezifischen Kompetenzen zur Begleitung der Lernenden einsetzen und die von den Lernenden genutzte Innovation im Verlaufe des Prozesses für sich selbst oder im Team evaluieren.
Das Handlungsfeld 3 «Umsetzung sichern» hängt massgebend von den anderen beiden Handlungsfeldern «Wissen erweitern» und «Evaluation vereinfachen» ab. Lehren und Lernen in innovativen Lernkulturen erfordert eine Individualisierung des Lernens, was wiederum ein hohes Mass an Selbstdisziplin und persönlicher Verantwortung verlangt. Das Ziel von einer individuellen, innovativen Lernkultur wird vor allem dann erreicht, wenn die Organisationen oder in diesem Fall die einzelnen Lernorte sich selbst ebenfalls als lernende Instanz betrachten und dazu bereit sind, sich laufend weiterzuentwickeln. Flache Hierarchien, wie sie beispielsweise in Teamarbeitsstrukturen möglich sind, begünstigen diesen Prozess. Der Aspekt der Vernetzung und der positiven Beziehungsgestaltung bleibt auch hier zentral. Damit also die Umsetzung von Innovationen in der Ausbildung der Lernenden gesichert werden kann, reicht es nicht, lediglich von den Innovationen zu erfahren und sie ausprobiert oder als nützlich eingeschätzt zu haben. Alle Stakeholder der Berufsbildung, also auch die Bildungsinstitutionen, müssen ihre Einstellungen und Überzeugungen gegenüber Innovationen und der Art des Lernens im Kontext der Arbeit reflektieren und bereit sein, mit immer neuen Formaten zu experimentieren. Die Implementierung von Innovationen in die Ausbildung der Lernenden braucht Raum, Mut und eine gelebte Fehlertoleranz, damit Experimente an den jeweiligen Lernorten erwünscht sind, die wiederum neues Wissen generieren und künftige Evaluationen erleichtern.
Haben Sie Fragen, Rückmeldungen oder Anregungen zum Innovationstransferprojekt? Oder möchten Sie Ihre eigenen Strategien teilen und mehr über die der anderen erfahren? Dann freuen wir uns über Ihren Eintrag auf unserem kollaborativen Padlet.